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Studie: Kohlenhydratarme Ernährung kann Leben verkürzen – außer bei Vegetariern

 Die Er­näh­rungs­emp­feh­lung­en haben sich in den letzen Jahren geändert. Nachdem lange Zeit eine fettarme Diät als Mittel gesehen wurde, die Cholesterinwerte zu verbessern und einer Atherosklerose vorzubeugen, soll jetzt eine kohlenhydratarme Ernährung die derzeitige Adipositas- und Diabetesepidemie bekämpfen.

Die im letzten Jahr veröffentlichten Ergebnisse der PURE-Studie („Prospective Urban Rural Epidemiology“) lieferten hierfür wichtige Argumente. In der Studie, die 135.000 Personen auf 5 Kontinenten untersuchte, war eine kohlenhydratreiche Ernährung mit einem höheren Sterberisiko assoziiert. Die Studie wurde allerdings in Bevölkerungen mit einem relativ hohen Verzehr von Kohlenhydraten durchgeführt. Dies lag an der Beteiligung von ostasiatischen Kulturen, in denen Reis die wichtigste Energiequelle ist. Die Menschen ernähren sich deshalb auch deutlich fettärmer als Europäer und Nordamerikaner.

Die amerikanische ARIC-Studie (Atherosclerosis Risk in Communities Study) liefert hier repräsentativere Daten. Die Studie begleitet seit nunmehr einem Vierteljahrhundert eine Gruppe von 15.428 Erwachsenen im Alter von 45 bis 64 Jahren mit unter­schiedlichem sozioökonomischen Hintergrund und europäischer oder afrikanischer Herkunft aus vier US-Bezirken.

Zu Beginn der Studie und 6 Jahre später füllten die Teilnehmer einen detaillierten Ernährungsfragebogen aus, aus dem sich der Anteil, aber auch die Herkunft von Kohlenhydraten, Fetten und Proteinen ermitteln ließ. Sara Seidelmann vom Brigham and Women’s Hospital in Boston und Mitarbeiter haben die Angaben mit den 6.283 Todesfällen in Verbindung gesetzt, zu denen es nach einer medianen Nachbeobachtung von 25 Jahren gekommen ist.

Zunächst einmal bestätigt die ARIC-Studie die Erkenntnisse der PURE-Studie: Ein hoher Anteil von Kohlenhydraten in der Nahrung war mit einem erhöhten Sterberisiko assoziiert. Ein 50-jähriger Teilnehmer, der mehr als 65 % der Energie durch Kohlen­hydrate deckte, lebte danach im Durchschnitt noch 32,0 Jahre gegenüber 33,1 Jahren bei einem Teilnehmer mit einem Anteil der Kohlenhydrate von 50 bis 55 %.

Ergänzend zur PURE-Studie, die diesen niedrigen Bereich nicht abdeckte, war aber auch eine niedrige Kohlenhydratzufuhr mit einem erhöhten Sterberisiko assoziiert. Ein 50-jähriger Teilnehmer, der weniger als 30 % der Energie aus Kohlenhydraten bezog, hatte eine Lebenserwartung von 29,1 Jahren. Am niedrigsten war das Sterberisiko bei einem Anteil der Kohlenhydrate von 50 %.

Eine Metaanalyse, die neben ARIC und PURE noch weitere kleinere Studien einbezog, kam zu dem gleichen Ergebnis. Personen, die mehr als 70 % der Energie über Kohlenhydrate zu sich nahmen, hatten danach ein um 23 % erhöhtes Sterberisiko: Hazard Ratio 1,23 (95-%-Konfidenzintervall 1,11 bis 1,36). Bei einem Anteil von weniger als 30 % war das Sterberisiko um 20 % erhöht: Hazard Ratio 1,20 (1,09–1,32).

Weitere Analysen ergaben, dass die Art der Fette und Proteine, die die Kohlenhydrate bei einer kohlenhydratarmen Ernährung ersetzen, einen großen Einfluss haben. Seidelmann unterscheidet zwischen einer vegetarischen und einer fleischhaltigen Kost.

Die vegetarische Diät war bei einer kohlenhydratarmen Ernährung mit einem um 18 % verminderten Sterberisiko assoziiert (Hazard Ratio 0,82; 0,78–0,87), bei einer fleischhaltigen Diät war das Sterberisiko dagegen um 18 % erhöht (Hazard Ratio 1,18; 1,08–1,29).

Die Gründe für die Vorteile der vegetarischen Kost kann die Studie nicht klären. Seidel­mann vermutet, dass ein hoher Anteil tierischer Fette und Proteine Entzündungs­vorgänge im Körper stimuliert und durch oxidativen Stress die biologische Alterung beschleunigt. Bei einem zu geringen Verzehr von Obst und Gemüse könnten Mangelzustände bei Vitaminen und Spurenelementen auftreten.

Bei einer epidemiologischen Studie bleibt trotz der Berücksichtigung von konkurrierenden Risikofaktoren – in der Studie waren dies Alter, Geschlecht, Bildung, Taillenumfang, Rauchen, körperliche Aktivität, Diabetes, Wohnort, geografische Region und Gesamtkalorienzufuhr – immer die Möglichkeit, dass andere Ursachen, die mit der Ernährung korrelieren, das veränderte Sterberisiko erklären.

Andrew Mente und Salim Yusuf von der McMaster University in Hamilton/Kanada raten im Editorial grundsätzlich zur Mäßigung bei Diäten. Obwohl Kohlenhydrate technisch gesehen kein essentieller Nährstoff sind (im Gegensatz zu Proteinen und Fetten), müsse eine gewisse Zufuhr gewährleistet sein, etwa um bei körperlicher Aktivität den kurzfristigen Energiebedarf zu decken. Die Studie deute jedoch darauf hin, dass ein Anteil der Kohlenhydrate von 50 Prozent der „Sweet Spot“ für eine gesunde Ernährung ist. © rme/aerzteblatt.de

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